EL BUEN SAMARITANO e.V.

Brief von der Freiwilligen Sophie Braun vom 4. April 2024

Sophie Braun in der Schule

Seit meinem letzten Bericht sind inzwischen viele Monate vergangen; auf der einen Seite ist die Zeit schneller vergangen, als man das hätte bemerken können, auf der anderen Seite ist auch mehr geschehen, als man es auf ein paar Seiten Bericht wiedergeben könnte, aber ich werde im Folgenden versuchen, ein paar Eindrücke zu geben.

Zunächst ist das vergangene Schuljahr kurz vor Weihnachten zu Ende gegangen. Im Laufe der Monate sind aus dem anfänglichen Kennenlernen und Ausprobieren immer mehr Erfolge, Routinen und Fortschritte entstanden: Ich habe herausgefunden, wie viel ich mit den Schüler*innen entsprechend ihrer Klassenstufe schaffen kann, und habe das stets auszubauen versucht. Ich habe herausgefunden, welche Methoden gut oder weniger gut funktionieren und was ihnen Spaß macht und sie motiviert, und ich habe dies nicht nur im Bezug auf die Klassen als ganzes herausgefunden, was vor allem für meinen Englischunterricht wichtig war, sondern auch im Bezug auf einzelne Schüler*innen, was für die übrige Zeit wichtig war, in der ich Klassen unterstützt habe und somit die Gelegenheit hatte, mit einzelnen Schüler*innen zusammenarbeiten zu dürfen.

So war ich sehr gespannt – und vielleicht auch ein bisschen nervös – auf die Ergebnisse der Abschlussklausuren als Abbildung dessen, was meine Schüler*innen in meinem Unterricht gelernt haben. Entsprechend erleichtert und glücklich war ich dann über die Erkenntnis, dass meine Schüler*innen (auch wenn mir manchmal scheint, dass Englisch als Fach prioritätsmäßig weit hinten ansteht) auch in schwieriger konzipierten Klassenarbeiten gut abgeschnitten haben. Besonders stolz war ich auf meine Schüler*innen in der 5. Klasse: An sie habe ich die Anforderung gestellt, nicht nur Grammatik und Vokabeln zu erlernen, sondern auch erste einfache Konversationen zu führen. Zunächst waren sie dabei zwar sehr schüchtern und es erforderte gut konzipierte Methoden, sie ein wenig zum Sprechen zu ermuntern. Aber schließlich sind wir damit so weit gekommen, dass wir die Abschlussklausuren dann als mündliche Prüfungen durchführen konnten. Dabei hat mich beeindruckt und außerordentlich erfreut, wie gut sich die Schüler*innen trotz ihrer anfänglichen Ängste auf die neue Lernweise eingelassen und welche Fortschritte sie dadurch in so kurzer Zeit gemacht haben. Meine Hoffnung ist, damit Lust bei Schüler*innen (und manchmal scheinbar auch Lehrkräften) geweckt zu haben, sich mutig ohne Berührungsängste in die Auseinandersetzung mit der Sprache Englisch zu stürzen, egal ob durch Schulunterricht, Musik, Filme oder Begegnungen mit Menschen aus anderen Ländern. Besonders schön war für mich in diesem Zusammenhang auch das folgende Erlebnis: Bei meinem Abschied von allen meinen Schüler*innen vor der Rückkehr nach Deutschland wurde ich von meinem Freund begleitet, der zu dieser Zeit gerade zu Besuch da war. Als ich dann erklärte, dass dieser kein Spanisch, sondern nur Englisch spreche, haben die Schüler*innen tatsächlich auch von selbst versucht, sich mit ihm auf Englisch zu unterhalten.

Nach den Klausuren, sehr schönen Abschlussfeiern für die Fünfjährigen, die nun die primaria besuchen und die sechste Klasse, die nun die secundaria in einer anderen Schule besuchen, und einem gemütlichen Zusammensein mit Schüler*innen, deren Geschwistern und Eltern, Chocolatada und panetón, haben wir uns dann alle in die Weihnachts-/Sommerferien verabschiedet. Zunächst habe ich Weihnachten mit meiner Gastfamilie zusammen gefeiert und die gemeinsame ruhige Familienzeit genossen, bevor ich im Januar dann zu einer zweiwöchigen Reise durch den Norden aufgebrochen bin, um auch etwas mehr von den Kulturen und der Natur in den verschiedenen Provinzen Perús kennenzulernen.

Nach meiner Rückkehr von der Reise starteten dann auch gleich die Ferienkurse: Kinder hatten die Möglichkeit drei Mal die Woche vormittags an diesen Kursen teilzunehmen, um noch einmal in kleineren Gruppen aufzuholen oder zu verbessern, was sie im Laufe des Schuljahres nicht erlernt haben. Außerdem hatten Kinder, die sich für das nächste Schuljahr neu an der Schule immatrikulieren wollten, so die Gelegenheit, auf denselben Stand zu kommen. Mir haben diese Kurswochen besonders gut gefallen, weil sie uns allen viele fantastische Möglichkeiten geboten haben: Die Kinder konnten in entspannter Atmosphäre ohne Druck unter intensiver Betreuung ihre Lücken füllen oder Fähigkeiten verbessern, die sie sonst jedes Schuljahr weiter zurückwerfen würden. Ich konnte die einzelnen Kinder ziemlich gut kennenlernen und gezielt mit ihnen arbeiten. Vor allem habe ich die Kinder von fünf Jahren und die Erst- und Zweitklässler*innen unterstützt, sodass wir gemeinsam wichtige Grundfähigkeiten, wie Lesen, Schreiben und einfaches Rechnen nachhaltig verbessern konnten. Auch hat mich sehr gefreut, dass ich dabei eine Lehrerin unterstützt habe, mit der ich zuvor noch nicht so viel Kontakt hatte, sodass auch wir uns in den Wochen gut kennengelernt haben, und dass unsere Teamarbeit sich schnell eingespielt und sehr gut funktioniert hat.

Sophie Braun im Förderkurs während der Schulferien

Leider habe ich in dieser Zeit jedoch auch gesundheitliche Probleme bekommen. Anfangs fiel es mir noch schwer, die Entscheidung dazu zu treffen, jedoch hat sich in den folgenden Wochen immer mehr die Notwendigkeit abgezeichnet, zeitnah nach Deutschland zurückzukehren, um mich dort besser behandeln lassen und ausruhen zu können. Es war mir jedoch trotz allem ein sehr wichtiges Anliegen, damit noch ein paar Wochen bis Schuljahresbeginn zu warten, um von allen meinen Schüler*innen richtig Abschied nehmen zu können und besonders auch ihnen die Gelegenheit dazu zu geben (vor den Ferien hatten mir viele Schüler*innen angespannt das Versprechen abgenommen, dass ich nach den Ferien noch da sein würde, und bei allem, was einige von den Kindern schon erlebt haben, war es mir sehr wichtig, nicht zu einer weiteren Person in ihrem Leben zu werden, zu denen sie nach einer Weile eine starke Beziehung aufgebaut haben, die dann einfach ohne Vorwarnung und Abschied plötzlich verschwunden ist.)

Ins Schuljahr sind wir mit einer wunderbaren Mischung aus Aufregung, Freude, Energie und einer Prise Chaos gestartet. Den ersten Tag habe ich ganz damit verbracht, eine Beziehung zu einem Erstklässler aufzubauen und ihn zu begleiten, der zuvor noch nie eine Schule besucht hatte und sich nur sehr widerwillig und aufgebracht von seinen Eltern getrennt hatte, um ihm als feste Bezugsperson die Sicherheit zu geben, die er erstmal brauchte, um langsam ankommen zu können. Nachdem dann am Ende des Tages auch die ersten Freundschaften zu seinen Klassenkameraden geschlossen waren, ist er am nächsten Tag schon ganz glücklich in die Schule gekommen und brauchte mich nicht mehr. Also habe ich dann in der Klasse der Dreijährigen geholfen. Die werden ihrem Alter entsprechend wohl noch eine Weile brauchen, um in dem neuen Raum „Schule“ so ganz anzukommen, aber mit viel Spielen, Singen, Basteln, Bewegung, Umarmungen, Streit schlichten und liebevollen Gesprächen haben wir den Vormittag schön gestaltet und ich bin mir sicher, dass es mit den beiden fantastischen Lehrkräften in der Klasse zwar immer wild bleiben wird (wie sich das für eine Klasse von 15 Dreijährigen auch einfach gehört : - )), aber mindestens die Kinder noch eine Vielzahl wunderschöner Erfahrungen machen und sich wunderbar entwickeln werden.

Leider hatte sich mein gesundheitlicher Zustand dann so stark verschlechtert, dass ich eine Weile im Krankenhaus bleiben und operiert werden musste. Zum Glück ist dabei alles gut verlaufen, sodass ich vor meiner Rückkehr nach Deutschland immerhin (aber leider auch nur noch) an einem Vormittag die Gelegenheit hatte, mich von meinen Schüler*innen zu verabschieden. Zum einen bin ich traurig darüber, dass ich nicht mehr Zeit mit den Kindern verbringen konnte – geplanterweise hätte ich noch ca. fünf Monate länger an der Schule gearbeitet – zum anderen bin ich sehr glücklich und dankbar über alle Zeit und alle Erfahrungen, die ich an der Schule mit Kindern, Lehrer*innen und Eltern, in meiner Gastfamilie, mit Freunden und allgemein in der Stadt Lima und dem Land Perú sammeln durfte. Sie haben mich nachhaltig geprägt, meinen Horizont sehr erweitert und ich werde viele schöne Erlebnisse und Worte immer in meinem Herzen bei mir tragen. Besonders dankbar bin ich auch für alle meine Freunde, die während des Krankenhausaufenthalts immer an meiner Seite waren und mich allgemein durch die doch etwas schwierigen letzten Wochen getragen haben. Ein riesiges Dankeschön geht dabei vor allem auch an meine Koordinatorin Lisa, die mich in dieser Zeit ganz besonders, aber auch schon die ganzen Monate zuvor immer (zu jeder noch so frühen oder späten Uhrzeit) unterstützt hat, sich die Zeit für mich genommen hat, ein offenes Ohr hatte und mir damit ganz viel geschenkt hat. Dankbar bin ich auch für alle lieben Worte und Nachrichten, die mich in dieser Zeit erreicht haben. Mit so viel liebem Beistand konnte ja nur alles gut werden!

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