EL BUEN SAMARITANO e.V.

Brief von dem Freiwilligen Lasse Höhle vom 30. März 2024

Lasse Höhle in der Schule

Es brauchte ein paar Versuche, bis ein Gespräch mit einer älteren Dame zustande kam, die im Flugzeug neben mir saß. Ihr Gesichtsausdruck nach meinem ersten Gesprächseröffner machte deutlich, dass sie die Laute aus meinem Mund nicht als Spanisch erkennen konnte. Da sie, wie ich später doch noch erfuhr, Peruanerin ist und viele Jahre in Lima als Lehrerin gearbeitet hat, stieg in mir die Ahnung auf, dass ich fünf Jahre Schulspanisch neu bewerten werden müsse.

Und dann stehe ich plötzlich im Flughafen von Lima. Elizabeth wartete in der Menge, winkte freudig mit einem „Bienvenido Lasse“-Schild und begrüßte mich herzlich.

Der Trubel, der durch die ganze Stadt strömt, ist im ersten Augenblick, in dem man den Flughafen verlassen hat und mittendrin steht, unbeschreiblich. Die Stadt summt und brummt und hupt und schreit. An der Fensterscheibe des Taxis drückte ich meine Nase platt und beschaute ehrfürchtig und voller Vorfreude die Häuser, Straßen, Autos, Lichter und Läden, die an uns vorbeiziehen. Während ich diese Eindrücke aufsaugte, hörte ich mit halbem Ohr, wie der Taxifahrer vorne Elizabeth sein Herz ausschüttet, samt allen Liebesbeziehungen, Familienschicksalen, Krankheiten und Konflikten. Sie einigen sich darauf, dass Gott seinen Plan für jeden von uns hat.

Ich heiße Lasse, bin 19 und werde für knapp sechs Monate in Lima sein. Im letzten halben Jahr arbeitete ich bereits in einem Freiwilligendienst theaterpädagogisch mit Kindern und Jugendlichen und ich freue mich sehr hier in Mariátegui, in einem anderen Kontext und einer anderen Sprache, Teil des Schulalltags werden zu dürfen.

Einer der Hügel in Mariátegui (Foto von Lasse Höhle)

Die ersten drei Wochen verbrachte ich in der vierten Klasse und unterstützte die Lehrerin und die Schüler*innen wo ich konnte. Es ist eine große Klassengemeinschaft von über 40 Lernenden. Dabei habe ich mich vor allem jenen Kindern, die Schwierigkeiten in der Konzentration und dem Verständnis haben, gewidmet und dabei nicht nur schon viel über die Sprache, sondern auch über Geduld und die liebevolle Arbeitsweise der Lehrkräfte erfahren. Von Beginn an standen mir die Kinder sehr offen und neugierig gegenüber und schon in den ersten Tagen begannen sich herzerwärmende Verbindungen zu bilden. Herausfordernd empfinde ich dabei jedoch die eigenen Grenzen zu wahren in diesem Trubel, Lärm und der wilden Kundgabe von Bedürfnissen. Die ersten beiden Englischstunden waren entsprechend anstrengend, aber wie der ganze Schulalltag auch voller Highlights. Das große Interesse der Kinder, ihre Energie und ihre Formen, Wertschätzung auszudrücken, ließen mich jeden Tag mit Vorfreude auf den nächsten aus dem Unterricht gehen. In der kommenden Woche beginne ich mit dem Englischunterricht in allen Klassen und zusätzlich mit einer Art AG-Volleyball am Nachmittag.

Lasse Höhle in der Schule

Mit der Semana Santa [Karwoche] erlebe ich gerade eine bedeutsame und hoch zelebrierte Festlichkeit bei der ich mehr über Perú, die Limeños und ihren Glauben lerne. Worüber man mit fast jedem Peruaner reden kann und worauf, wie schnell deutlich wird, Großteile des Nationalgefühls beruhen, sind traditionelle Gerichte und der Fußball. Als Zeichen meines Integrationswillen beschloss ich bereits in meinen ersten Tagen jegliche vegetarische oder gar vegane Essgewohnheiten fallen zu lassen und dem Fußball eine Chance zu geben, was sich beides als wirklich bereichernde Entscheidung bewies. Die dritte Dimension, die ein solches Gemeinschaftsgefühl schafft und für die ich sehr dankbar bin, ist der Glaube. Über drei Tage findet gerade das Vive-Fest statt, ein öffentlicher Gottesdienst mit Livemusik, Theater und Predigt im Freien. In die Kirchgemeinde und vor allem deren Jugendgruppe wurde ich sehr herzlich aufgenommen, so spiele ich mit in einem der Theaterstücke des Vive-Fests und verbringe Nachmittage und Abende mit Fußballspielen und Singen, lerne peruanische Straßenrestaurants und die vielseitigen Gesichter der Stadt kennen.

Als ich gestern Abend zurück zum Haus von Elizabeth fuhr, schaute ich mit der gleichen Mischung aus Ehrfurcht und Vorfreude durch die Scheibe des Autobusses, gespannt auf alles, was die nächsten Monate bringen.

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